15.10.2005
Notiz zum Weinerzeuger: Marqués de Griñón Family Estates
Quelle: General-Anzeiger Bonn (DE) - 10/2005

Aufständischer im Adelsgewand

Im »Bonner Generalanzeiger« von Caro Maurer vorgestellt: Carlos Falcós Kellerei Pagos de Familia aus der D.O. Dominio de Valdepusa. Nachfolgend der Text im Original:

„Zuerst Bruch mit der Tradition, jetzt geschmackvolle Annäherung an die Vergangenheit: Der Marqués de Griñón stellt mit ›El Rincon‹ in Bonn einen neuen Wein vor.

Dass Äußerlichkeiten nur wenig über einen Menschen verraten, dafür ist Carlos Falcó das lebende Beispiel. Auf den ersten Blick schiebt sich da ganz die noble Fortsetzung seines Namens in den Vordergrund: „Fernández de Córdova, Marqués de Griñón”. Das Inbild eines spanischen Granden. Großgewachsen, stolz, im zeitlos lässig leinenen Chic des Adels residiert er auf dem Familiengut Dominio de Valdepusa, dessen Geschichte so weit zurückreicht wie der Adelstitel: bis ins 13. Jahrhundert. Sandsteinfarbene Mauern, eine Kapelle mit Glockenturm, schmiedeeiserne Balkone - stilsicher, aber auch mit Würde und Respekt vor der Historie hat der Marqués seinen Landsitz ausstaffiert.
Erst der zweite Blick offenbart seinen Bruch mit der Tradition den Aufständischen im Adelsmann. Hinter dem Gutshaus tut sich ein Weinkeller auf, der nichts von der verstaubten Romantik großer alter Fässer birgt, sondern in dem sich akkurat neue Barriques, kleine Holzfässer aus französischer Eiche, aneinander reihen. Auch die Reben, die auf den sanften Hängen drum herum wachsen: kein Tempranillo oder Garnacha weit und breit, sondern Cabernet Sauvignon, Petit Verdot und Syrah, edle französische Sorten, die keine Vergangenheit im spanischen Wein haben. Durch Carlos Falcó wohl aber eine Zukunft.
Wie auch die Region südlich von Toledo. Dort, wo noch vorwiegend knorrige Olivenbäume dem Landschaftsbild Gestalt geben, hat der Aristokrat seine Reben - und mit ihnen eine eigene Wein-Herkunftsregion gepflanzt, die D.O. Dominio de Vadepusa. D.O. steht für Denominación de Origen, die offizielle Bezeichnung für ein anerkanntes Weinbaugebiet in Spanien. Das Weingut des Marqués wurde vor drei Jahren der erste eingetragenen Vertreter einer neuen Qualitätsstufe: „Vino de Pago”, Lagenweine, ähnlich einem Grand Cru wie im Burgund. Es ist Falcós Verdienst, dass diese neuen Prestigekategorie eingeführt wurde.
Lange und hartnäckig hat er darum gekämpft. Nach dem Abschluss als Agraringenieur hatte der Marqués de Griñón die University of California in Davis besucht, lernte dort von einem Professor, dass die Wein-Welt nicht von Francos Regeln diktiert wird. Sondern dass die Montes de Toledo, auf denen das Anwesen seiner Eltern liegt, durchau gute Voraussetzung für den Weinbau mitbringen würde: kontinentales Klima mit vielen Sonnenstunden, karge Böden auf purem Kalkstein ähnlich wie im Burgund. Zu schade für die Äpfel und den Virginia-Tabak, die auf den Äckern des jungen Erben heranwuchsen.
Doch erst als Falcó 1973 auch noch das Prinzip der Tröpfchenbewässerung entdeckte, mit der die Rebpflanzen auf seinen Hügeln gerade genug Flüssigkeit zum Überleben bekommen, aber nicht so viel, um es mit dem Wachstum übertreiben zu können, wagte er es, Cabernet-Reben ins Tempranillo-Land zu schmuggeln. Was ihm von der Polizei erstmal eine Strafe einbrachte. Von den Kritikern später jedoch höchstes Lob.
Falcós Chance lag in der Neuerung, nicht im Brauchtum. Mit Tempranillo, das ahnte er, würde er es zu schwer haben, „mit der D.O.C. Rioja und der D.O. Ribera del Duero zu konkurrieren”. Aber mit Cabernet, Syrah und der alten, heute raren Sorte Petit Verdot konnte er das nötige Aufsehen erregen. Er holte sich die besten Berater ins Haus: zuerst den Önologen Emile Peynaud aus dem Bordeaux, später Michel Rolland oder Richard Smart. Qualität wollte er produzieren, nicht Masse, wie so oft genug die Bodegas seiner Landsleute hervorbrachten. Er richtet sich ganz auf schonenden Ausbau ein, quetscht die Trauben nicht, sondern presst sie nur sanft, verzichtet auf Schönung und Filtrierung und hat auch Maß für den angenehmen, nicht übertriebenen Einsatz der Barriques gewonnen.
Ganz trendgemäß baut der Marqués de Griñón seine drei Rebsorten getrennt aus, vermählte sie zuerst nur in der Spitzencuvée ›Emeritus‹. Und die Ernte seiner Bemühungen kann er spätestens seit Mitte der neunziger Jahre reichlich einholen, seit Parker gleich fünf Weine von ihm mit 86 bis 92 Punkte bedacht hat, den Syrah später gar mit 96 Punkten.
Doch Carlos Falcós vielleicht stärkste Leistung war rückblickend, bei allem Erfolg stets offen für neue Entwickliungen zu bleiben. Die Rechte an seinem Namen, den auch eine große Kellerei in Rioja vermarkten durfte, kaufte er zurück, denn drei seiner fünf Kinder haben bereits Interesse an der Weinmacherei angemeldet. Seine Tochter Xandra debütierte jetzt mit dem ›Summa Varietalis‹, einer feminin anmutenden Cuvée, ebenfalls aus Cabernet, Syrah und Petit Verdot.
Auch Vater Falcó vollzieht noch einmal eine Trendwende - und entdeckt gerade die Vorzüge der Tradition. Auf der Dominio de Valdepusa experimentiert er derzeit mit der uralten spanischen Sorte Graciano. Und auf einer anderen Bodega nahe Madrid vereint er die ebenfalls traditionsreiche Garnacha Tinta mit Syrah im ›El Rincón‹. Das Ergebnis wird er am 25. Oktober in Bonn im Restaurant DelikArt vorstellen: einen sanften, aber bestimmten Wein, extraktreich, mit Pflaumenfrucht, aparten Nuancen von Schoko, schwarzen Oliven und reifem, rundem Tannin. Ein Wein mit Charme und Eleganz, der ganz den Mann widerspiegelt, der ihn macht.”


[af]

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