01.03.2005
Notiz zum Wein: Fabelhaft Tinto / 2002
Quelle: Diners Club Magazin (DE) - 3/2005

Frauen & Wein = Frauen-Power

Es war an einem sonnigen Herbsttag Anfang der 80er Jahre in Münchens Weinbar Gratzer's Lobby. In naiver Begeisterung berichtete ich dem deutschen Gourmetpapst Wolfram Siebeck über eine Reise ins Burgund. „Ich hab' immer gedacht, da unten gibt es nur Rotwein”, staunte ich, „aber ich habe ein kleines Dörfchen entdeckt namens Montrachet...” Siebeck drehte sich mit seiner unnachahmlichen Gestik zu mir um und sagte: „Gnädige Frau, ich darf Sie korrigieren: Es heißt nicht Montrachet, es heißt Mon-rachet.”
Tja, das war die Initialzündung, die Herausforderung. Es gab ja nur die Päpste Siebeck, Paczensky, Besser, die ex cattedra ihre (Wein-)Noten verteilten. Eine Frau? Weit und breit nicht in Sicht. Einige Winzerinnen ja. Aber sonst? Fehlanzeige! Inzwischen ist viel Wasser die Isar, den Rhein und die Rhône heruntergelaufen. Es gibt wunderbare Winzerinnen, Weinhändlerinnen, Weinagentinnen, die sich längst emanzipiert haben. Aber auch ich muss nach 25 Jahren Weinjournalismus noch immer im Restaurant die Weinkarte von meinem Tischherrn erbeten, der sie ganz automatisch bekommt! Frauen haben, das ist wissenschaftlich erwiesen, die bessere Sensorik. Frauen gehen aber vor allem viel lockerer mit dem Thema Wein um. Das Benotungs-Brimborium, das einige Herren bei Weinproben betreiben, dieses belehrende Gockelgehabe, finde ich eher - na ja - amüsant. Ich möchte Ihnen heute vier Weinfrauen vorstellen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die eines gemeinsam haben: Charisma.

Wein & Gourmet
An Laureen Kochs Leidenschaft zum Wein ist - ein Mann schuld. Ihr späterer Ehemann, der renommierte Küchenchef Otto Koch. Laureen war Sprachenstudentin und blutjunge 19 Jahre, als Otto Koch sie in Münchens besagte Gratzer's Lobby mitnahm und sie einen 1966er La Tâche probieren ließ. „Er sagte, ich solle mir diesen Wein einprägen, um eine Messlatte zu haben, was ein exquisiter Burgunder ist. Und ich kann mich noch heute an dieses dichte, konzentrierte Bouquet erinnern”, schwärmt sie. Otto Koch war damals neben Eckhard Witzigmann der bekannteste Küchenchef Münchens. Und in seinem Restaurant Le Gourmet mauserte sich seine charmante Frau schnell zur Weinberaterin. Da die Gäste immer öfter nach den ausgeschenkten Weinen für den Privatkeller fragten, gründeten die Kochs zusammen mit Freund Paul Breitner 1988 den Le Gourmet Weinhandel. 1995 setzte Laureen Koch dann ihren eigenen Wein-Club oben drauf - mit heute 500 Mitgliedern. Sechs Mal im Jahr gibt es ein Degustationspaket mit ausgesuchten Spitzenweinen und Rezepten (auch mal den Saucen, Jus, Gewürzkompositionen) von Otto Koch. Und da die Konkurrenz im Weinhandel riesig groß ist und man sich „von Aldi und den Feld-Wald-und-Wiesen-Händlern durch gute Beratung absetzen muss”, drückt die 46-jährige Mutter von zwei erwachsenen Kindern noch einmal die Schulbank und absolviert Ende des Jahres ihr Diplom zur „Wein-Akademikerin”.
Ihr derzeitiger Lieblingswein ist eine entzückende Hommage an Wilhelm Busch. Dirk van der Niepoort, genialer Weinmacher in Portugal, hat die Busch-Fabel um den Rotwein schlürfenden Raben Hans Huckebein als Etikett für seine jüngste Kreation gewählt: den ›2002 Fabelhaft Douro‹. Tiefgründigkeit, eine herrliche Frucht und reife Tannine zeichnen diesen Roten aus dem Herzstück des Douro-Tals aus, der ganz aus einheimischen Rebsorten stammt, wie Tinta Roriz, Tinta Barroca, Touriga Franca.

[af]

Druckversion