01.02.2004
Notiz zum Weinerzeuger: Niepoort Vinhos
Quelle: Vinum (DE/FR/ES) - 1/2004

Reiner Tisch

Dirk van der Niepoort räumte nicht nur beim Port auf, er produziert wohl auch Portugals beste Tischweine.

Auf den ersten Blick wirkt Dirk van der Niepoort wie ein Student im 16. Semester: losgelöst von allen irdischen Zwängen. Doch Äußerlichkeiten können täuschen: Der 39-jährige aus dem Douro-Tal ist ein Meister der Konzeption und Kalkulation. Weniger explosive Fruchtbomben, sondern Terroir-betonte Weine sind sein Faible.

Das ehrgeizige (Arbeits-) Ziel: „Ich möchte einen typischen Douro-Tischwein machen.” Also einen trockenen Roten aus uralten, lokalen Rebsorten, typisch und wild, aber geschliffen und in der Tradition verankert.

Bis zum EU-Beitritt 1986 war das Douro-Tal für Portwein berühmt und befand sich im eisernen Griff der „Shippers”, wie die Großhändler vor Ort genannt werden. Vertragsbauern lieferten die Trauben. Mehr nicht. Mit dem EU-Beitritt ist das Produktionsmonopol Geschichte. Passé auch Portwein in Monokultur, stattdessen Beginn einer Produktion von hervorragenden Tischweinen.

Kompetente und kluge „Shipper” wie Dirk van der Niepoort erkannten bald die Schätze, die es zu heben galt. Die lange Abgeschiedenheit des Douro-Tales wurde zur USP in einer gleichförmigen Weinwelt. Perlen inmitten des Chardonnay & Co.-Trubels; Dirks Visionen haben Namen: Mit dem Jungfernjahrgang 1991 sorgte der rote ›Redoma‹ aus dem Stand für enormes Aufsehen, 1997 folgte der weiße. 1999 vinifizierte Niepoort dann den ›Batuta‹, der im Eiltempo zum Kultwein aufstieg - allerdings kaum erhältlich ist. Ganz im Gegensatz zu seinem „kleinen” Bruder, dem ›Vertente‹ 2001.

Gewachsen in einer Schiefersteillage (Quinta da Nápoles), gewonnen aus niedrigen Erträgen von nur 22 hl/ha. Ein Wein von fein dosiertem Holzeinsatz und saftigen Beerenaromen - beide gut eingebunden in eine geschliffene Tanninstruktur. So wirkt der Wein anfangs modern, weltweinig, gar gemacht. Dieser Eindruck ändert sich nach mehrstündigem Belüften. Subtile, facettenreiche Aromen treten zu Tage, wie tiefe Mineralität, Kakao- und Tabaknoten. Die Kraft ist nur vom Tanninkorsett gezähmt, der Schliff ist zwar modern, aber das Rückgrat wild und ursprünglich. Eine frische Säure im Hintergrund sorgt zudem für Belebung.

Ungeschminkt, kraftvoll und frisch wirken auch die ›Redoma‹ 1995‹ und 1997 -us einem kleinen Kontingent, das Dirk erst jetzt freigegeben hat. Gewonnen aus 55 bis 70 Jahre alten Reben und unterschiedlichen Lagen - die Erträge liegen bei etwa 15 hl/ha. Auch sie benötigen noch Zeit zur Entwicklung in der Karaffe, der 1995er gar 24 Stunden! Beide Weine glänzen durch Mineralität mit Einsprengseln vornehm pronuncierter Tabak- und Kakaonoten.

Der ›1997er‹ wirkt besonders charmant, fruchtbetont, ja feminin. Aparte Süßholzaromen schmeicheln am Gaumen, das Tannin hat genügend Biss. Beide Cuvées bestechen durch kraftvolle Eleganz und Balance, vor allem aber durch ihr feinkörniges Tannin. Ihnen gemeinsam ist jene schwer zu beschreibende balsamische Note, die an frisch poliertes Mahagoni erinnert.

Pure Kraft, Konzentration aus Extremlagen - gepaart mit Schiefereleganz. Wie sein Macher sind auch die Weine Meister der Gegensätze. Und der ›Vertente‹ gefällt vor allem, weil er unaufdringlich ist, aber erfrischend angenehm, ungekünstelt und freundlich wirkt. Portugal, wie es Spaß macht. Dirk hat reinen Tisch gemacht.

Manfred Lüer

[af]

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