04.01.2003
Notiz zum Weinerzeuger: Niepoort Vinhos
Quelle: General-Anzeiger Bonn (DE) - 1/2003

Relikte mit Restsüße

Mit Portwein haben sich seine Vorfahren einen Namen gemacht. Mit grandiosen Tischweinen frischt Dirk van der Niepoort das Renommee des portugiesischen Familienunternehmens jetzt kräftig auf.

Mit der halblangen Lockenmähne wirkt er auf den ersten Blick ein wenig wie ein junger, verspielter Dirigent. Und irgendwie ist er das ja auch. Nur dirigiert er kein Orchester, sondern mischt Geschmacksnoten zu grandiosen Kompositionen: Dirk van der Niepoort ist Winzer, einer der besten Portugals. Mit Rot- und Weißwein hat er neben dem Portwein im alteingesessenen Familienunternehmen neue Glanzpunkte gesetzt.
Seit 1848 machen die deutsch-holländisch-stämmigen van der Niepoorts Portwein. Vor allem ihre Colheitas haben zum Ruhm der Kellerei in Porto beigetragen. Die Vielzahl an unterschiedlichen Portwein-Typen mag im ersten Moment verwirren, doch ist sie einfach zu durchschauen. Generell sind Ports Weine, deren noch nicht ganz abgeschlossene Gärung durch die Zugabe von 77-prozentigem Neutralalkohol gestoppt wird. Das Resultat ist eine hohe Restsüße und ein kräftiger Alkoholgehalt von rund 20 Prozent.
Grundsätzlich unterscheidet man Ports, die im Fass reifen, und solche, die sich nur kurze Zeit im Fass entwickeln, um danach in der Flasche auszureifen wie ein Vintage oder ein Late Bottled Vintage (LBV). „Beim Vintage muss alles stimmen”, sagt Dirk van der Niepoort. Beim Tawny dagegen, der im Fass reift, oder dem Colheita, dem Jahrgangstawny, ist statt Farbe und Frucht die Frische entscheidend. Ein Colheita , sagt Niepoort, „hat innere Werte, ist aber vielleicht nicht ganz so gut angezogen.” Zu seinen persönlichen Lieblingen zählt er den Niepoort Colheita von 1935, der 1972 abgefüllt wurde.
Dirk van der Niepoort verbindet als Weinmacher Tradition und Moderne aufs Feinste. Die Trauben für die Ports werden nach der Lese nicht gepresst, sondern wie anno dazumal samt Stielen und Stengeln in niedrige Steintröge gekippt, die sogenannten Lagares, und von Arbeitern zerstampft. Stiele und Stengel bleiben dabei unversehrt und behalten ihre unerwünschten Tannine für sich.
Ein weiteres Relikt hat der 38-jährige wiederbelebt: Garrafeira-Ports, sehr elegante Weine, die nach drei bis sechs Jahren im Holz in alten Glasballons ausgebaut werden. Neben den Ports haben den Winzer aber auch Tischweine gereizt, weil er "das Potenzial des Douro-Tals ausschöpfen wollte". Den alten Reben auf den Terrassen dieser schroffen, unnahbaren Landschaft ringen er und die Weinbauern winzige Trauben ab, deren Aroma und Frucht ungewöhnlich extraktreich und intensiv ist. Und manchmal, sagt Niepoort, weiß er nicht mal genau, welche Sorten sich dahinter verbergen, so kunterbunt durcheinander wurden diese Lagen einst gepflanzt. Touriga Nacional steckt sicherlich darunter, Tinta Roriz (im Spanischen Tempranillo), Tinta Barroca und vermutlich Touriga Francesa, eine einheimische Rebsorte.
Am Ergebnis ändert das nichts: ›Redoma‹ ist ein ungestümer Wein, aus dem man die Wildheit der Douro-Landschaft schmeckt, feiner, harmonischer dagegen der ›Batuta‹, die Selektion eines Weinbergs von der Quinta do Carril, die Dirk van der Niepoort extra dafür erworben hat, und eleganter sein ›Charme‹ der in Deutschland leider noch Seltenheitswert hat, aber eindeutig nach mehr schmeckt. Allesamt Kompositionen, die bei jeder Gourmet-Sinfonie einen Paukenschlag setzen.

[af]

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