01.02.2006
Notiz zum Weinerzeuger: Marqués de Griñón Family Estates
Quelle: Wein + Markt (DE) - 2/2006

Revier für Pioniere

In der Februar-Ausgabe der Zeitschrift »Wein + Markt« werden in der Rubrik „Länder + Regionen” Kellereien aus dem Gebiet Montes de Toledo vorgestellt. Zu diesen gehört selbstverständlich auch die von Carlos Falcó, Pagos de Familia, über die Jürgen Mathäß nachfolgend im Original schreibt:

„Carlos Falcó Marqués de Griñón stammt aus einem alten spanischen Adelsgeschlecht. In Spanien kennt ihn jede Hausfrau, denn das Klatschmagazin »Hola« konnte vor allem während seiner Ehe mit der Gesellschaftsdame Isabel Preysler kaum auf ihn verzichten. Er bedauert nicht, dass diese Blätter ihn mittlerweile in Ruhe lassen. Dafür ist der unermüdliche Pionier in der Weinszene umso agiler. Im Westen des malerisch-traditionsreichen Toledo sind er sowie die Kellereien Osborne und Gonzalez Byass dabei, ein neues Weinbaugebiet zu erschließen.

Es begann alles damit, dass Carlos Falcó nach dem Studium der Agrarwissenschaften in Brüssel ins kalifornische Davis ging, um sich verstärkt mit dem Thema Wein zu beschäftigen. Es beeindruckte ihn, wie im Napa Valley mit modernsten Methoden aus klassischen französischen Sorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot Weltklasse-Weine gekeltert wurden. Bei einem Abendessen mit Professor Maynard Amérine erfuhr er, dass seine Heimat bei Toledo sich angesichts der Klimadaten für den Anbau von Cabernet Sauvignon eignen müsse. Es dauerte noch zehn Jahre, bis er dort aktiv wurde - der Beginn einer Weinbaurevolution.
Das spanische Wein-Establishment erklärte den jungen Marqués für verrückt: Cabernet Sauvignon, Syrah und Petit Verdot in einer Region, in der vor allem Oliven und Weizen wuchsen?! Doch allem Spott zum Trotz setzte sich Falcó durch. Der Cabernet Sauvignon seines Weinguts Dominio de Valdepusa gehörte schon in den 1980er Jahren zu den bedeutenden Weinen Spaniens. Nicht nur das: Die alten Jahrgänge schmecken auch heute noch. Mittlerweile gehören auch Syrah und Petit Verdot sowie der Verschnitt ›Eméritus‹ zu den hoch interessanten Weinen des Hauses mit besten Bewertungen bei internationalen Weinkritikern. Zu den bisherigen 41 ha Rebfläche sollen demnächst 9 ha hinzukommen. „Vermutlich Graciano”, sagt Carlos Falcó. „Das ist das Petit Verdot der Rioja. Jeder redet von ihm, niemand pflanzt ihn an. Hier jedenfalls wird er wirklich reif, das ist in der Rioja nicht immer der Fall.” Ein grandioser Versuchs-Graciano aus einer kleinen, bereits bestehenden Anlage liegt bereits im Fass.
Dass alles so gut funktionierte, war kein Glück, sondern Ergebnis von Analyse und Planung. Das extrem kontinentale Klima im zentralen Spanien auf 550 m Höhe wurde vorher genau analysiert. Auch die Bäden blieben nicht unerforscht. Falcós Pioniertätigkeit beschränkte sich bei weitem nicht auf Terroirproben und ungewöhnliche Rebsorten. Er führte eine Reihe neuer Weinbaumethoden ein, so etwa 1974 die weltweit erste Anlage zur Tröpfchenbewässerung von Weinreben - ein System, das er aus der Bewässerung von Zitrusfrüchten in Israel kannte. In der Reberziehung hat er sich nach genauen Analysen des Verhältnisses von Ertrag, Wasserversorgung, Laubfläche pro Hektar und Traubenreife als erster europäischer Winzer für das die Laubwand vergrößernde Smart-Dyson-System entschieden und ist sicher: „Bei diesem System erreichen wir mit 2,5 m breiten Reihen 16.000 Quadratmeter Laubfläche pro Hektar. Das erlaubt Topqualitäten bei Erträgen bis zu 10.000 kg/ha. Die traditionelle Gobelet-Erziehung schafft nur 4.500 Quadratmeter. Dort können kaum mehr als 2.000 kg Topqualität erzielt werden. Ein normaler Drahtrahmen liegt dazwischen.”
Modernste Technik bei der Bewässerung unterstützt die optimierte Traubenreife. Die Bewässerung erfolgt unterirdisch über die Mitte jeder zweiten Reihe und wird über ein Computersystem kontrolliert, das über die minimale Ausdehnung der Rebstämmchen die Versorgung der Pflanzen in vielen kleinen Parzellen misst. Alle 15 Minuten erreichen Angaben über Temperatur, Windrichtung, relative Feuchtigkeit, Windstärke etc. den Zentralcomputer in der Kellerei.
Die Kellerei ist modern, aber nicht spektakulär. Sie hat alles, was man braucht, bald auch wieder Betongärtanks. „Die schaffen besseres Gärambiente als Edelstahl. Aber in der Kellertechnik ist nicht mehr viel zu gewinnen. Als wir anfingen, redete man nur über Kellertechnik. Ich habe immer an den Fortschritt im Weinberg geglaubt und erreicht, dass wir heute absolut gesunde und gleichmäßig reife Trauben ernten.” Das Ergebnis ist in jeder Flasche zu schmecken: Weine von sehr ausgeglichener, dichter Sortenart, eher dem zugänglich-weichen Fruchtstil der neuen Welt als der spanischen Tradition verpflichtet.
Längst geht der Einfluss des adeligen Agraringenieurs weit über die Grenzen des eigenen Betriebs hinaus. Freunde und Geschäftspartner machen sich seine Kenntnisse zunutze. Deutlich wird dies auch daran, dass die ganze Region durch sein Beispiel einen Aufschwung erlebt. So war Falcó nicht unbeteiligt an einer Ansiedlung, die allerdings sein eigenes Beispiel um einige Dimensionen übersteigt. (...)
Zurück zu Carlos Falcó und seinen politischen und wirtschaftlichen Pionierleistungen. Falcó ist einer der Väter des neuen spanischen Weingesetzes, das erstmals die Kategorie „vino de pago” (Lagenwein) offiziell vorsieht. Schon vor einigen Jahren gründete er mit Kollegen aus ganz Spanien die Vereinigung Grandes Pagos de España. Auf dieser Basis beriet der Marqués sowohl die spanische Regierung bei der Neuerfassung des Weingesetzes als auch die Regierung von Castilla-La Mancha. Die schuf im Vorgriff auf das nationale Gesetz bereits drei Pago-DOs, darunter die D.O. Dominio de Valdepusa des Marqués de Griñón.
Wirtschaftlich ging Falcó einen ungewöhnlichen Weg, als er in den 1980er Jahren mit der Berberana-Gruppe (heute Grupo Arco) eine Vereinbarung über die Rechte an seinem Namen schloss. Seine Weine wurden nun über die Gruppe vermarktet, und es gab einen Rioja „Marqués de Griñón”. Doch dann schien ihm dies für das eigene Markenbild nicht mehr ädaquat, unter anderem, weil nicht kontrollierbar war, wo seine Weine verkauft wurden. Im Mai 2004 kaufte er die Rechte zurück. Das war „teuer”. Außerdem musste die ganze Distribution welweit neu aufgebaut werden. Geschäftsführer Andreas Kubach: „Von 50 Distributeuren sind nur zwei geblieben, darunter in Deutschland Ardau Weinimport in Troisdorf. Einfach war das nicht. Aber wir haben es geschafft.” Wie so vieles.”

[af]

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