01.09.2007
Notiz zum Weinerzeuger: Marqués de Griñón Family Estates
Quelle: Essen & Trinken (DE) - 9/2007

Der Markgraf von La Mancha

In der Ausgabe 9/2007 der Zeitschrift »essen & trinken« wird von Jürgen Mathäss der Weinmacher Carlos Falcó, Besitzer der Pagos de Familia in der D.O. Dominio de Valdepusa, vorgestellt. Unter der Überschrift „Von einem der auszog, die spanische Weingeschichte neu zu schreiben” schreibt er nachfolgend über den bekannten Winzer:

„Mein Vater wollte ich auf eine Offiziersschule schicken”, sagt Carlos Falcó y Fernández de Córdova, Marqués de Griñón. Für ein Mitglied des erzkonservativen spanischen Hochadels war dies in Francos Spanien der fünfziger Jahre die vorgezeichnete Karriere. Doch der junge Mann hatte andre Pläne. Sie brachten ihm zuerst Spott, dann Ruhm ein. Er ging in die Landwirtschaft und probte den Aufstand gegen das spanische Regime, pflanzte Cabernet Sauvignon, bewässerte Weinberge, schrieb Rebsorten auf Etiketten - alles streng verboten. Heute ist er der Grandseigneur des modernen spanischen Weinbaus.
Sein Weingut „Dominio de Valdepusa” etwa sechzig Kilometer westlich von Toledo wurde vor drei Jahren als geschütztes Herkunftsgebiet der neuen und höchsten spanischen Qualitätskategorie „vino de pago” anerkannt. Damit ist der Marqués auch weinbaulich geadelt. Das entsprechende Gesetz hat er selbst der spanischen Regierung eingeflüstert. Nicht zum eigenen Nutzen, sondern weil ihm die Weine aus besonderen Einzellagen am Herzen liegen.
Für schwierige Fälle hatte er schon immer eine große Begeisterung. In den Schulferien half der junge Marqués seinem Großvater, die Olivenernte einzubringen. Bei Gesprächen über bessere Vermarktungsmöglichkeiten für das wertvolle Öl erwachte sein Interesse an Landwirtschaft. Der Wunsch, im Ausland zu studieren, hatte wohl auch mit der geistigen Enge im damaligen Spanien zu tun. Der Vater ließ sich erweichen, verbot aber ein Studium im lasterhaften Paris und schickte den Sprössling nach Belgien. „Ich habe dort viel über Düngen und Bewässern gelernt, aber nichts über Wein”, erinnert er sich. So ging der frischgebackene Agraringenieur mit seiner ersten Frau für zwei Jahre nach Kalifornien an die Universität Davis, machte seinen Master und lernte viel über moderne Weinbaumethoden: gekühlte Tanks bei der Gärung, Bewässerung von Weinbergen, Spaliererziehung, Kühlung der Fasskeller. Und die Rebsorte Cabernet Sauvignon ging ihm nicht aus dem Sinn, vor allem als er festgestellt hatte, dass das Klima im Gebiet seiner Finca für diese Rebe bestens geeignet sein musste.

„Als ich daheim beim Agrarministerium sagte, ich wolle Cabernet Sauvignon anbauen, die Weinberge bewässern, die Sorte auf das Etikett schreiben und den Wein exportieren, hat der Mann gelacht”, erzählt Carlos Falcó. Die Einwände: Cabernet sei keine spanische Rebsorte und deshalb nicht erlaubt, Bewässern sei verboten, auf Etiketten dürfe man keine Rebsorten schreiben, sonder nur Herkünfte. Die Berge von Toledo seien aber keine zugelassene Herkunft. Und wer exportieren wolle, müsse mindestens eine Million Flaschen Wein produzieren, wurde ihm beschieden. Im Spanien Francos hatte alles seine Ordnung. Dagegen aufzubegehren war noch nicht denkbar. Der Plan wurde auf Eis gelegt.
Andere wichtige Dinge passierten, die Falcó heute, weil sie privat sind, ungern detailliert beschreibt. 1971 scheiterte seine erste Ehe. Die Kinder Manuel und Xandra wuchsen bei ihm auf - sie sind heute Stützen seines Unternehmens. Wieder frei, lagen ihm reihenweise schöne Frauen zu Füßen: Alexandra von Kent, Tina Onassis, schließlich Isabel Preysler, damals noch Gattin von Julio Iglesias, später die zweite Ehefrau des heißblütigen Marqués. Es waren Jahre der Popularität bei allen Frauen, die Klatschzeitschriften wie »Hola« lesen. Tochter Tamara wurde geboren. Nach der Scheidung von Isabel wurde er die Klatschpresse nur mit einem Trick wieder los: „Sie ließen mich erst in Ruhe, als sie merkten, dass ich konsequent und ausschließlich nur über Wein rede.”
Den Plan, Cabernet Sauvignon zu pflanzen, hatte er inzwischen verwirklicht, heimlich und gegen alle Regeln. Heute suchen Agronomen, Politiker und Weinbaukollegen das Gespräch mit Carlos Falcó. Sein Weingut ›Dominio de Valdepusa‹ ist ein Vorbild für modernsten Traubenanbau. Die Bewässerung einzelner Parzellen wird durch Computer gesteuert, die den Wasserkreislauf in den Pflanzen messen. Die Blattfläche im Verhältnis zum Ertrag optimiert ein besonderes Erziehungssystem. Die Rebsorten, die früher als unspanisch galten, haben sich bewährt. Unzählige Nachahmer pflanzen heute Syrah und Cabernet Sauvignon statt Tempranillo und Garnacha, vor allem in der ziemlich heißen Region Castilla-La Mancha.
Für seine Pioniertat hätte man ihn früher einsperren können. Carlos Falcó war Mitglied des politischen „Club Siglo 21”, dem Club für das 21. Jahrhundert, der entscheidend die Rückkehr Spaniens zur Demokratie beeinflusste. Im Club hörte er eines Tages den Satz: „Die Gesetze sind für die Menschen gemacht und nicht die Menschen für die Gesetze.” Das traf voll und ganz auf ihn zu: Weinbaugesetze, das hatte Falcó schon seit jeher empfunden, seien nicht gut für den Weinbau. Deshalb hatte er kein schlechtes Gewissen, als er 1974 Pflanzen von Cabernet-Reben zusammen mit einer Sendung von Apfelsetzlingen aus Frankreich ins Land schmuggelte. In Israel hatte er gesehen, wie Orangenplantagen punktuell mit einem Leitungssystem bewässert werden. Er verwirklichte eine bahnbrechende Idee und führte als weltweit erster Winzer Tröpfchenbewässerung bei Weinbergen ein. Heute Standard in allen regenarmen Weinbaugebieten der Welt. „Das hatte drei Vorteile”, erklärt der Winzer. „Es spart Wasser und man kann gleichzeitig über das System düngen. Aber vor allem sieht es von außen niemand so leicht. Bewässerung war ja verboten.”
Etablierte spanische Winzer, die von seinen Plänen erfuhren, schüttelten den Kopf oder spotteten über den verrückten Kerl. Cabernet Sauvignon in Spanien, und das auch noch irgendwo bei Toledo, meilenweit von allen Weinbaugebieten entfernt? Doch er stand es durch. Einige Jahre lang verkaufte er seine Trauben, bis ihn der berühmte Bordelaiser Wein-Professor Émile Peynaud besuchte und ihm, begeistert von den kalkigen Böden, dem Klima und ersten Proben aus dem Fass, riet, eigenen Wein zu füllen. Den 1982er gab Carlos Falcó erst 1986 frei, als mit dem Beitritt zur EG die Exportbeschränkungen fielen.
So reiste Carlos Falcó nach London zu einer Messe. Bald standen die Besucher Schlange am Stand mit dem spanischen Cabernet Sauvignon. Mittendrin sah Falcó den bekannten Weinautor Hugh Johnson. Er lud ihn zum Essen ein und bekam eine Story. Damit war der erste Jahrgang rasch verkauft.
Falcó ließ nicht locker und pflanzte weitere internationale Rebsorten: Merlot, Syrah, Petit Verdot. Für seine Weine, nach spanischem Recht einfache Tafelweine, erntete er internationales Lob. Bald verstummten auch in Spanien die Stimmen der Kritik. „Die nächste Rebsorte ist eine spanische, die spät reifende Graciano aus der Rioja. Sie wird dort oft nicht reif, bei unserem Klima dagegen schon. Demnächst pflanzen wir noch einige Hektar davon und weiten unsere Rebfläche auf 51 Hektar aus. In einigen Jahren wird es viel Graciano im Süden geben.”

Dass Wein im Weinberg, nicht in der Kellerei entsteht, hat Falcó schon zu einer Zeit begriffen, als fast ausschließlich über moderne Kellertechnik geredet wurde. Um die Bedeutung guter Weinlagen zu fördern, gründete er die Vereinigung „Pagos de España”, der Weingüter mit besonderen Weinlagen angehören. Später hat er in langen Gesprächen mit Regierung und Abgeordneten dazu beigetragen, dass im neuen spanischen Weingesetz aus dem Jahr 2003 die besten Einzellagen des Landes mit dem Begriff „vino de pago” geschützt werden können. Das Weingut „Dominio de Valdepusa” ist das erste, das diesen gesetzlichen Schutz erhält. Es gehört nun ganz offiziell zu den besten Erzeugern des Landes.
Nicht nur die Trauben gedeihen prächtig auf dem 700 Hektar großen Gut, das seit 1292 der Familie gehört. Auch Rebhühner und anderes Wildgetier bevölkert die Finca. Zum Jagen kommt schon mal der spanische König Juan Carlos zu seinem Freund, neben dessen Kellereigebäude noch die alte „Casa de vacas” aus dem Jahr 1680 steht. Heute dient sie als gemütliches Wochenendhaus.
Auch privat geht es voran. Carlos Falcó hat zum dritten Mal geheiratet und ein weiteres Weingut in der Nähe von Madrid gegründet. Auf „El Rincón” wohnt er mit der Familie, seiner Frau Fátima und den beiden jüngsten Kindern, der neunjährigen Aldara, und dem zwölfjährigen Duarte sowie Hund Olé. Zu einem Treffen in der Madrider Altstadt kommt er durchaus schon mal zu spät. „Ich habe die Kinder erst noch in die Schule gebracht”, erklärt der Marqués - auch dafür muss Zeit sein.”

[af]

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