26.09.2009
Notiz zum Weinerzeuger: Niepoort Vinhos
Quelle: Spiegel (DE) - 40/2009

Niepoort vorgestellt: „Der Schatz der alten Reben”

In der Ausgabe 40/2009 der Zeitschrift »Spiegel« stellt Helene Zuber die Kellerei Niepoort aus dem D.O.C. Douro vor. Unter der Einleitung „Der Erbe einer 167 Jahre alten Portweindynastie macht Douro-Weine zum Kultgetränk” schreibt sie nachfolgend im Original:

„Kurvenreich und staubig windet sich die Schotterpiste aus dem Tal bergan. Mit Mäuerchen abgegrenzte Terrassen, auf denen die Weinstöcke wachsen, zeichnen ein mäanderndes Muster an die Hänge. Plötzlich taucht über der Mündung des Tedo in den trägen Douro-Fluss ein langgezogenes Bauwerk auf: monumental wie ein Schloss, aber viel schlichter und aus graubraunem Schiefer wie der Fels, auf dem es thront.
Der Herr über diese Festung hat nichts Aristokratisches an sich, obwohl er in der fünften Generation Erbe einer Dynastie ist: Dirk van der Niepoort, 45, leitet das zweitkleinste, aber wohl feinste Portweinhaus, gegründet von seinem niederländischen Ahnherrn, und empfängt Besucher in grauen Gummi-Crocs, Bermudas und flatterndem Hemd. Vor zwei Jahren hat er hier, auf der Quinta de Nápoles beim Örtchen Pinhão, einem der ältesten Höfe der Gegend, seine hochmoderne Kellerei eingeweiht.
In Scharen reisen nun ganz spezielle Pilgergruppen aus aller Welt in den nordöstlichen Winkel des entlegenen Portugal. Von Absolventen der Weinakademie in Österreich bis zu hochprämierten Sommeliers aus Norwegen und Schweden, von Fachkritikern aus den USA bis zu den gefeierten Kellermeistern aus dem benachbarten Spanien: Alle wollen Mijnheer Niepoorts feine Kredenzen probieren und ihm persönlich auf die Schulter klopfen.
Denn der junge Portweinbaron, gebürtig aus Porto und des Vaters wegen mit einem niederländischen, der Wuppertaler Mutter wegen mit einem deutschen Pass ausgestattet, hat in seiner Branche eine wahre Revolution ausgelöst. Bis dato hatten eher verschlafene Produzenten ihren Süßwein traditionell ins Vereinigte Königreich exportiert, wo besserverdienende Briten ihn nach dem Dinner zum Stilton süffelten. Niepoort hat nun geschafft, was nur mit wenigen portugiesischen Produkten bisher möglich war: weltweit einen Kult zu etablieren. Und zwar nicht nur mit seinem Portwein, der auf einmal in Szenebars von New York bis Madrid und Oslo aufgetaucht ist. Wichtiger noch ist seine Idee, im Douro-Gebiet, das seit Mitte des 18. Jahrhunderts als erste abgegrenzte Weinregion der Welt gilt, hochwertige Tafelweine zu machen. Nach „Super-Toskanern” jetzt die „Super-Portugiesen”?
Die Bibel der Bacchus-Freunde von Robert Parker verzeichnet gleich mehrere Kreationen von Niepoort, den die Tester für den besten Winzer Portugals halten, als „hervorragend”. Hugh Johnson nahm zwei seiner Roten und einen Weißen auf die Liste der „1001 Weine, die Sie probieren sollten, bevor das Leben vorbei ist”. Und die Fachzeitschrift »Wine Spectator« urteilte: Niepoort sei vergleichbar mit dem, was die Firma Krug für die Welt des Champagner ist.
Dabei macht der Struwwelkopf wenig so, wie des diplomierte Önologen für richtig halten. Er wolle keine „fetten hochalkoholischen Monster” schaffen, die nur auf den ersten Schluck beeindrucken. „Ich mache, was die Trauben mir geben.”
Und das so altmodisch wie möglich: Wenn die 85-jährige Bäuerin Francelinha in ihrem schäbigen Lastwagen die Trauben auf die Hightech-Wiegestation im Hof der Quinta de Nápoles begleitet, begrüßt der junge Gutsbesitzer sie persönlich. Die winzigen Trauben, den Schieferbödenauf Nordlagen in über 800 Meter Höhe abgetrotzt, stammen von ganz alten Reben, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt.
Die zahnlose Frau ganz in Schwarz ist stolz auf ihre Ernte. All seine Überredungskunst hat Niepoort aufgeboten, um sie und andere Lieferanten zu beschwören, sie sollten ihre alten Pflanzen in über 80 Sorten nicht ausreißen, um dafür Subventionen aus Brüssel zu kassieren. „Die alten Weingärten sind unsere Schätze, die machen unseren Wein zu etwas Besonderem”, belehrt ausgerechnet der Junge die Alten. Wenn sie das aufgäben, gerieten sie in direkte Konkurrenz zur Neuen Welt. Und mit der billigen Massenproduktion könnten sie nicht mithalten.
„Die Menschen machen den Unterschied”, davon ist Niepoort überzeugt. Deshalb lässt er über die Hälfte seiner Trauben von 30 Leuten - darunter acht Praktikanten von weit her, bis aus Brasilien und Finnland - zwei Tage lang je fünf Stunden in den sogenannten Lagares, alten, erst vor wenigen Jahren wieder in Betrieb genommenen Steinbecken, mit den Füßen zerstampfen.
Dass es möglich ist, so gut wie ohne Zusatzstoffe oder technologische Tricks auszukommen, hat Niepoort inzwischen bewiesen. Seine Hexenmeisterkunst offenbart er beim Verschnitt der Moste aus vielen Rebsorten. Nur darin sucht der jungenhafte Rebell mit der randlosen Brille und den rotblonden Locken Perfektion. Bei seinem Roten mit dem Namen ›Batuta‹, Taktstock, hält er das für gelungen: „der Wein meiner Träume”.
Dabei wollte Niepoort ursprünglich nicht Winzer, sondern Betriebswirt werden. Erst 1987 übernahm er den Familienbetrieb in Vila Nova de Gaia, der Schwesterstadt Portos. Er kaufte zwei alte Höfe am Douro-Lauf, investierte viel, um die alten Terrassen auszubessern, und konnte so zehn Hektar mit über 60 Jahre alten Reben erhalten. Mit der Ernte von 1991 machte er „ganz aus dem Gefühl” seinen ersten roten Redoma, so wild wie die Landschaft, in der die Trauben wachsen.
Trotz globaler Wirtschaftskrise wird Niepoorts Jahresproduktion von 450.000 Flaschen Port- und 150.000 Flaschen Tafelwein innerhalb weniger Tage verkauft - bis zu 80 Prozent ins Ausland. Dazu kommt der absolute Renner, den der Späteinsteiger 2002 erfunden hat. Unter 15 verschiedenen Namen exportiert er diesen preiswerten Wein mit Etiketten von den bekanntesten Zeichnern aus den Bestimmungsländern. Keiner habe an das Projekt geglaubt, lacht Niepoort.
Den Douro-typischen Portugiesen mit dem deutschen Namen ›Fabelhaft‹ etwa ziert Wilhelm Buschs Fabel vom likörverliebten Raben Hans Huckebein - und das jährlich 300.000-mal.”




[af]

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