11.02.2006
Quelle: Welt am Sonntag (DE) - 2/2006

Ein großartiger Rotwein als „Wein zum Buch“

,Die Frau, die ihren Mann nicht beeinflussen kann, ist ein Gänschen. Die Frau, die ihn nicht beeinflussen will – eine Heilige’, schreibt Marie von Ebner-Eschenbach. Ich wiederum bin einmal mehr bei einer Frau gelandet, die Männer erstklassig zu beeinflussen versteht, nämlich bei der spanischen Weinmacherin Paloma Redondo und ihrem Rioja ›Castillo de Clavijo Gran Reserva 1994‹. Ich verhehle nicht, dass ich bereits im vergangenen Jahr die Weine von Paloma Redondo unter den Spaniern besonders überzeugend fand. Die Gran Reserva von 1994 zeigt aber, welches Potenzial die Weine dieser Künstlerin haben.

Die Cuvée dieser sehr überzeugenden besteht zu 80 Prozent aus Tempranillo, zehn Prozent Mazuelo und zehn Prozent Graciano. Trotz zwölf Jahren Lagerzeit präsentiert sich der Wein in jungem, frischem Rot. Nach dem Dekantieren entfalten sich im Aromenspektrum fulminant Vanille, Holunder, Datteln und Pfeffer. Der Wein hat nach ursprünglich 24 Monaten in französischer und US-Eiche noch eine weitere Entwicklung vor sich! Im Vergleich zu entsprechend entwicklungsfähigen Bordeaux-Weinen ist der Preis ein Witz.

Inzwischen bin ich lesenderweise von der österreichischen Schriftstellerin Freifrau von Ebner-Eschenbach zur amerikanischen Erzählerin Mary McCarthy gewechselt. Und die schreibt: ‚Manche Mißstimmung von Frauen, der auch beste Psychiater nicht beizukommen vermögen, kann schon ein mittelmäßiger Friseur beseitigen.’ Wie einfallslos! Ein großartiger Rotwein wie dieser ist die viel lustvollere Methode, Mißstimmungen wegzuspülen, statt waschen, schneiden, legen. Fragen Sie Paloma Redondo.

[af]

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