20.05.2005
Notiz zum Weinerzeuger: Niepoort Vinhos
Quelle: Financial Times (DE) - 5/2005

Angriff der Douro-Boys

Über Jahrhunderte wurde im Douro-Tal ausschließlich Portwein produziert. Plötzlich reifen hier ein paar der aufregendsten Rotweine Portugals

von Patricia Bröhm

Temperaturen, da bleibt einem Hund wie Batuta nichts anderes übrig, als alle viere von sich zu strecken - 35 Grad im Schatten! Apathisch liegt der riesige Leonberger im Schatten eines Feigenbaums. Er ahnt nicht, dass die glühende Sonne auf den Weinbergen ringsum gerade daran arbeitet, seinen Namen für Weinfreunde rund um den Globus schmackhaft zu machen.
"Batuta" so heißt auch der Rotwein, den Dirk van der Niepoort auf seinem Weingut Quinta do Nápoles produziert. Es ist nicht nur einer der besten Rotweine, die heute aus Portugal kommen, sondern auch Vorbote einer kleinen Revolution.
Dirk van der Niepoort zählt zu einer Hand voll Winzern, die in der Weinwelt derzeit für reichlich Aufsehen sorgen. Sie haben das Douro-Tal, das sich von der Hafenstadt Porto bis zur spanischen Grenze schlängelt, zu einem der spannendsten Weinbaugebiete Europas gemacht. Jahrhundertelang wurde hier ausschließlich Portwein produziert. Seit ein paar Jahren aber überraschen der 41-jährige van der Niepoort und seine Freunde mit ebenso kräftigen wie fruchtigen Rotweinen.
Quinta do Vallado, Quinta do Nápoles, Quinta do Crasto, Quinta do Vale Dona Maria, Quinta do Vale Meao - das sind die Weingüter, die für den neuen Stil stehen. Ihre Besitzer, eine Gruppe von Freunden und Kollegen um Dirk van der Niepoort, die sich die „Douro-Boys” nennen, haben ihr Tal auch auf die touristische Landkarte gesetzt. Auf den Spuren ihrer Lieblingsweine kommen neuerdings immer mehr Besucher in diesen entfernten Teil der iberischen Halbinsel.
Wanderer und Weinfreunde erleben hier eine Landschaft von elementarer Kraft. Wenig besiedelt und doch von Menschenhand geformt: In die steilen Hänge, die den stolz dahinfließenden Strom zu beiden Seiten säumen, haben Generationen von Weinbauern in schweißtreibender Arbeit die schmalen Terrassen gehauen, die den Weinbau erst möglich machen. Eine Landschaft wie modelliert - und heute als Unesco-Weltkulturerbe geschützt.
Die beste Art, von Porto aus das Douro-Tal zu entdecken, ist per Eisenbahn. Nur sie kann direkt am Fluss entlang fahren, dessen Ufer über weite Strecken unzugänglich sind. Korkwälder und Olivenhaine ziehen vor den Fenstern vorbei, und immer wieder die Terrassen, Stein für Stein in die Hänge geschichtet, um den bröckelnden Schieferboden zu stützen und bebaubar zu machen. Auf den Hügelkuppen hoch über dem Fluss thronen - eingerahmt von lila Drillingsblumen, den Bougainvillea - schneeweiße Gutshäuser.
Etwa das über 400 Jahre alte Weingut Quinta do Crasto auf halbem Weg zwischen Régua und Pinhao. Es wurde von den Brüdern Miquel und Tomas Roquette in den letzten zehn Jahren in einen topmodernen Betrieb verwandelt. Die Quinta ist offen für Besucher, die ihre kraftvollen Rotweine am Ort des Entstehens verkosten wollen: mit Blick hinunter auf den Fluss, am Gaumen der Geschmack von Pflaume und Cassis.
Weiter geht die Fahrt zum Bahnhof von Pinhao, dem vielleicht malerischsten in ganz Portugal. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist mit Kachelfresken dekoriert, die Szenen aus dem Leben der Portweinproduzenten zeigen - aus einer Zeit, als die Trauben noch per Schiff nach Porto transportiert wurden. In Pinhao liegt auch das Vintage House, ein ehemaliges Lagerhaus für Portwein, das heute ein hübsches Hotel und Restaurant beherbergt. Hier kann man nicht nur gut essen, es werden auch Weinproben und -kurse angeboten. Als der ideale Ort, um die Weine der jungen Winzer zu probieren, die die internationale Weinkritik in Aufruhr versetzen.
Zum Beispiel der ›Batuta‹ von Dirk van der Niepoort. Jenen Wein, den der Nachkomme holländischer Einwanderer und Erbe eines namhaften Portweinhauses nach seinem Hund benannte. Der Mann mit dem unbändigen Lockenkopf war einer der Ersten, die sich trauten, am Douro auch Rotweine zu produzieren. Dabei ging er wie ein traditionsbewusster Revolutionär vor: neuen Wegen folgen und dabei das Wissen der Vorväter nutzen. „Verschneiden ist eine Kunst”, sagt er und wendet die alte Portweintradition auf seine Rotweine an, nach der oft mehr als 20 verschiedene Rebsorten in einer Flasche kombiniert werden.
Dirk van der Niepoort war auch der Erste, der das überlieferte System der Lagares für die Rotweinproduktion einsetzte. In Lagares, großen Granitbecken, lässt er die Trauben nach alter Sitte mit Füßen stampfen - die sanfteste Form der Pressung. Zur Zeit bedeutet jeder neue Jahrgang am Douro einen Qualitätsschub. „Wir kennen zwar sehr genau das Potenzial unserer Weinberge für Portwein”, sagt van der Niepoort. „Für Rotweine kennen wir es noch lange nicht.”
Granatrot leuchtet sein Batuta 2000 im Glas, er duftet nach Datteln und Bitterschokolade. Es sieht ganz so aus, as würde der Winzer seinen Hund noch weltberühmt machen.

[af]

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